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Zombies im Netz – Hatespeech macht krank

Ich bin Ihnen begegnet. Sie sind da. Du siehst sie nicht sofort. Nur ihre Hinterlassenschaften. Kommentare. Ein unguter Geruch nach Hass, Menschenverachtung, Intoleranz und Brutalität. Manche nennen Sie Hater. Ich nenne sie Zombies.
Ich erkläre mal, warum.

Der Netzzombie ist ein Hatespeech verbreitender Untoter. In ihm ist etwas abgestorben. Die einen nennen es Kinderstube, andere Anstand, ich nenne es Empathie. Warum? Weil er sich infiziert hat. Mit einem Virus. Das Krankheitsbild ist immer gleich: Leichte Erregbarkeit, Wut auf die „Gesunden“, Fäkalsprache und eine sehr individuelle Rechtsschreibung, Gewaltfantasien. Der Infekt selbst verläuft selten tödlich, endet aber mitunter beim Staatsanwalt.

 

Was ist das für ein Virus, der sich im Internet so rasend schnell verbreitet?

Wie bei allen Erkrankungen auf viraler Basis muss man davon ausgehen, dass die meisten Nutzer den Virus von Geburt an in sich tragen. Jeder, der schon einmal an einer hitzigen Diskussion im Netz teilgenommen hat, kennt das fiebrige Gefühl, das schnell Besitz von Dir ergreift und Dich Dinge schreiben lässt, die Du eine Nacht später zutiefst bereust. „War ich das?“ Die Allermeisten von uns machen diese Basiserfahrung und sind anschließend geheilt.

Nicht so der Zombie – für diesen ist der Virus wie ein geiler Fieberrausch, er liebt seine tägliche Dosis Kampf gegen die „Gesunden“.

Das Netz mit seinen Foren und Kanälen bietet unendliche Möglichkeiten, das zu schreiben, was man sonst nur selten, meist unter Zuhilfenahme hoher Dosen an Dosenbier denkt. Und so sieht das dann aus:

Enthemmt reagiert der Zombie auf Alles, was ihn stört, was ihn anwidert, was ihn anspringt: Emotionalität, Toleranz, bestimmte Themen, Nachrichten, den Staat, öffentliche Einrichtungen aller Art, einen Fussballverein – Personen, die medial in Erscheinung treten. Eigentlich ist es ihm egal. Es muss raus, raus in die Welt. Alle sollen es wissen. Was?

Wie Scheiße die Gesunden sind. Wie verwerflich, wie verdorben, wie beschissen freundlich und dumm.

Woran erkennt man einen Zombie?

Die Infizierten haben kein bestimmtes Alter, auch im hohen Alter kann man dieser Netzkrankheit zum Opfer fallen. Ob Großvater oder Kleingeist – alle sind dabei. Wer schon mal mit einem fünfzigjährigen Familienvater und parallel dazu mit einer achtzehnjährigen Auszubildenden zum Reizthema Migration aneinander geraten ist, weiss, wie sehr das stimmt.

Ich habe viele Dispute auf viele Arten mit Zombies geführt. Gegenrede, Argumente, Humor, Sarkasmus, Verständnis, es hilft nichts: einem Zombie im Fieberrausch ist nicht beizukommen. Er braucht das Gefühl, sich auseinanderzusetzen und zu gewinnen. Und ums Gewinnen mit aller Gewalt – darum geht es. Darum spielt Gewalt auch eine große Rolle in seiner Wortwahl. Sie können es überall nachlesen.

Wo steckt der Zombie?

Zum Glück gibt es „Therapiezentren“ wie Facebook oder Twitter. Hier weisen sich die Zombies vollkommen selbstständig ein und verbleiben lange Jahre – bis Sie gelöscht werden. Leider sind in den Zentren (wie auch im realen Gesundheitswesen) viel zu wenig Spezialisten in der Lage oder aber willens zu helfen. Stattdessen sind frustrierte Pfleger unterwegs (wie ich) die den Zombie gelegentlich wenden, damit er sich in seinem Fieberwahn nicht wundliegt. Warum wir das machen, weiß ich nicht. Vielleicht, weil wir den Erkrankten die virtuelle Welt nicht überlassen wollen.

Wir haben den Zombies mit dem Netz ein Tor geöffnet in unser persönliches Wolkenkuckucksheim namens Privat- und Berufsleben, das wir nicht mehr schließen können.

 

Nun ist die Frage, ob wir mit Ihnen leben können – oder nicht.