x

Das blaue Wunder erleben

Bei Dirk Kentrup in Nottuln

Sein ganz persönliches blaues Wunder erleben, das kann man wochentags am Kirchplatz 8 in Nottun, also im Herzen der kleinen Stadt am Fuße der Baumberge. Hier befindet sich nachweislich Nordrhein-Westfalens älteste Blaudruckerei. Seit bereits 1833 wird hier gefärbt und gedruckt. Die Blaudruckerei Kentrup gehört zum mittlerweile illustren, weil rudimentären Kreis von sechs deutschen Blaudruckereien und zählt zu den letzten sichtbaren Zeugen eines traditionsreichen Handwerks, das sich bis zu Beginn der Industrialisierung in jeder größeren Ortschaft mit einem oder mehreren Betrieben finden ließ.

Der Blaudruck fand übrigens um 1600 von Indien über die niederländischen Handelsgesellschaften seinen Weg nach Europa und verbreitete sich recht rasch über den ganzen Kontinent. Während anfänglich noch mit indisch inspirierten Motiven wie dem Granatapfel und orientalischen Mustern gearbeitet wurde, entwickelte sich in der Folge ein regional unterschiedlicher Firmenkanon aus biblischen und ortsbezogenen Motiven sowie Jagdszenen, aber auch neuen, ländlichen oder vom Barock inspirierten Mustern.

Am 17. Oktober 2008 war ich mit dem Besitzer Dirk Kentrup frühmorgens vor Ort verabredet und habe mich in ein Stück regionale Handwerkstradition einführen lassen. Wider Erwarten trug Herr Kentrup bei unserer ersten Begegnung übrigens keinen blauen Kittel, sondern Blue Jeans und einen smarten Strickpullover.

Merke: I = Interviewer, K = Herr Kentrup

I: Herr Kentrup, was sind Sie eigentlich von Haus aus? Oder sind Sie tatsächlich gelernter Blaudrucker?

K: Nein, leider ist der Blaudrucker ja bereits seit rund 100 Jahren kein Lehrberuf mehr. Ich bin staatlich geprüfter Landwirt und gelernter Kaufmann.

I: Wie sind Sie dann an Ihr Wissen gelangt?

K: Das fällt wohl in die Rubrik Familientradition. Seit 1833 drucken und färben wir Kentrups hier in Nottun. Unser Wissen wird von Generation zu Generation weitergegeben.

I: Also bleibt alles in der Familie?

K: Ja, so ist es. Unsere Muster, die Drucktechnik, unsere Kontakte, all das haben wir in den letzten 170 Jahren immer weiter vervollständigt und ausgebaut. Unsere Muster sind übrigens fast ausschließlich Kentrup-Entwürfe.

I: Und aus diesen Entwürfen haben Sie dann die Druckstöcke, die so genannten Model fertigen lassen.

K: Heute allerdings nicht mehr ganz so oft, schließlich haben wir 380 Model im Bestand und ein neuer ist ziemlich kostspielig.

I: Was kostet denn so ein Druckstock?

K: Je nach Größe und Aufwändigkeit des Musters können schnell 1.200,00 ‹ zusammenkommen.

I: Das ist eine Menge Geld für ein Stück von Tellergröße.

K: Da steckt aber auch eine Menge Arbeit drin. Die Druckstöcke sind meist aus Fuchsbaum oder aber aus Kirsche, beide Hölzer sind teuer. Die obere Schicht wird mit Birnbaumholz dreifach kreuzverleimt. Der Formstecher fertigt dann aus Messingstiften das Muster an. Er setzt Stifte und Bleche in den unter schiedlichsten Stärken sehr genau in dieses extrem harte Holz ein. Da kommen einige Stunden zusammen. Abschließend wird das Holz an der Oberfläche des Druckstocks mit Schellack versiegelt. Viele Arbeitsgänge kosten eben Geld.

I: Und woher beziehen Sie Ihre Rohstoffe?

K: Unsere Stoffe lassen wir in Baden-Württemberg und in Herford weben. Baumwolle, Leinen und Halbleinen. Unsere Druckfarben sind heute im Gegensatz zu vor 100 Jahren allerdings synthetische Farben aus dem Fachhandel. Die sind lichtecht und waschfester als Indigo, mit dem noch vor rund 100 Jahren gedruckt wurde.

I: Den Indigo-Effekt kennen wir ja von der Blue Jeans.

K: Genau.

I: Wie alt ist eigentlich Ihr ältester Druckstock?

K: Och, der dürfte so ungefähr 170 bis 180 Jahre alt sein.

I: Und wie alt ist Ihr Durchschnittskunde?

K: Nicht ganz so alt. Das geht bei 35 los, meist sind es 40 Jahre. Nach oben gibt es eigentlich keine Grenze. Die meisten kommen aus der Region, oft sind es aber auch Besucher aus den Niederlanden oder Süddeutschland. Wir haben aber auch schon häufiger nach Japan oder in die USA geliefert. Zu unseren Stammkunden gehört die Traditionsgaststätte „Kiepenkerl“ aus Münster. Tischwäsche und Dekorationsstoffe werden von uns geliefert.

I: Ist das ein Referenzkunde?

K: So kann man sagen. Seit Jahrzehnten übrigens.

I: Was war denn Ihr ungewöhnlichster Auftrag?

K: Eine „Designerschürze“. Der Kunde hatte am Computer einen Entwurf angefertigt und verschiedene Muster frei miteinander kombiniert. Das sieht am Computer alles ganz einfach aus. In der Realität sind die Model für die Muster aber alle unterschiedlich groß, 10, 12 und das dritte 14 cm. Versuchen Sie mal, die so anzuordnen, dass ein gleichmäßiges Druckbild entsteht. Das war ein Lernprozess.

I: Na, die lieben Designer. Aber reden wir nicht schlecht von ihnen, ich bin ja selbst einer.

K: (lächelt) Nee, war ja auch ein schönes Ergebnis und es hat geklappt.

I: Na dann ist es ja gut. Wenn ich das richtig verstanden habe, kann man bei Ihnen also auch individuelle Projekte in Auftrag geben.

K: Das stimmt. Wir haben z.B. gerade einen Probeauftrag für ein Hotel in der Abstimmung…

I: Wenn ich also z.B. eine kreative Idee für ein Weihnachtspräsent hätte…

K: …dann müssten Sie sich aber ganz schnell entscheiden, damit das vor Weihnachten noch fertig wird. Mit einem neuen Muster und einem neuen Model wird das acht Wochen vor dem Termin schon reichlich knapp.

I: Verstehe, wie viel Zeit sollte man also als Vorlauf einplanen?

K: Je nach Aufwand und Größe des Objekts bzw. des Auftrags zwischen 8 und 12 Wochen.

I: O.K. Und wie kann man Ihre Bestandsartikel erwerben? Im Ladenlokal?

K: Auch, aber schauen Sie doch einfach ins Internet. Seit sechs Wochen haben wir einen Online-Shop.Da finden Sie fast alles, was wir anbieten.

I: Ganz schön up to date.

K: Tja, da kommt der Blaudrucker heute nicht mehr dran vorbei. Man muss dranbleiben.

I: Blaumachen ist nicht.

K: Eben.

Selber wundern? Dann nichts wie hin.

Blaudruckerei Kentrup
Dirk Kentrup
Kirchplatz 8
48301 Nottun
www.blaudruck-kentrup.de
info@kentrup.eu