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Das Zeitfenster ist recht klein

Es ist ein Elend. Bist Du ein junger Hüpfer, hast gerade deinen Bachelor in der Tasche und außer ganz viel Idealismus wenig Referenzen vorzuweisen, diktieren dir die Kunden, wie teuer deine Entwürfe zu sein haben. Später, wenn deine Haare grau werden, dein Körper erste Warnsignale sendet, glaubt dir keiner mehr, dass Du für gutes Geld freshe Sachen machen kannst. Und irgendwo dazwischen soll man dann Karriere machen, oder was?

Das Zeitfenster, um als Designer den Zenit des Schaffens zu erreichen ist dann wohl recht klein. Erst kämpfst Du gegen die Skepsis aufgrund deiner Jugend. Später dann gegen Zweifel wegen deiner nachlassenden Spannkraft. Und mittendrin gründest Du eine Familie oder wechselst die Beziehung oder den Wohnort oder beides. Tjäch. Und das Alles ohne Plan. Aber mit Absicht.

Sollte das Leben also zu kurz sein, um ein zufriedener Designer oder eine glückliche Gestalterin zu werden? Ich weiss es nicht. Vielleicht. Mein Sohn sagte schon mit acht Jahren, dass er keinesfalls Designer werden möchte oder Lehrer (meine Frau ist Pädagogin). Aus Gründen, würde ich sagen.

Für ein Kind wie ihn sieht der Alltag des Designers wohl wie folgt aus: Das Elternteil geht morgens aus dem Haus, hat wahlweise Streetwear (Alltag) oder Jacket (Kundentermin) an – kommt abends entweder fröhlich (Pitch gewonnen) oder depressiv (Kunde hat alles verworfen) oder gar nicht nach Hause. Morgens versucht der Designer wieder sisyphotisch-normal zu wirken, obgleich ihm bereits drei Stunden vor dem Klingeln des Weckers einfiel, was genau er gestern vergessen hat: diese eine Antwortmail an den wichtigsten Neukunden. Das gibt wieder Zunder vom AD.

So mancher Sommerurlaub fällt flach (Abgabetermine/Geldmangel/Kündigung/Probezeit), nur einer von zehn Kommunikationsdesignern kann Übersee. Immerhin das ist jetzt tatsächlich ein Luxusproblem. Aber selbst die Bankberaterin war schon mal auf den Malediven! Menno!

Woran liegt es eigentlich, dass Kunden Berufe wie den des Kommunikationsdesigners so selten mit Geld in Verbindung bringen? Oder anders: warum gehen sie davon aus, dass es vollkommen normal ist, dass Designer B.A. oder M.A. am untersten Rand der Gehaltsreports zu finden sind? Klar, wir haben natürlich  alle irgendwie ein Auskommen, aber: Sehr wenige Designer und Designerinnen verdienen, wenn sie voll im Saft stehen, mehr als ein Bürokaufmann gleichen Alters – von den Selbstständigen ganz zu schweigen. Die haben nicht nur knapp zu kalkulieren, was die Lebensplanung betrifft – die tragen auch noch das volle Risiko.

Klar, es gibt Ausreisser nach oben. Aber mal im Ernst, wer sich in einem der großen Networks oder mittelständischen Büros nach oben geboxt hat, der hat selten ein weiches Herz. Ein weicher Keks hingegen… aber das ist ein anderes Thema.

R.