Die den Prakti kannten
Wie viele Praktikanten wir im Laufe der Jahre in unserem Büro erste, zweite und viele weitere Einblicke ins Berufsleben gewährten, kann ich nur schätzen. Sagen wir mal es waren fünfzig.
Ich gebe mir immer viel Mühe mit dem Nachwuchs und versuchen ihm ein Gefühl für den Beruf zu vermitteln. Doch nicht nur die jungen Gestalter/-innen erleben Einiges in unserem Büro. Auch wir können manche Anekdote über die Designer in spe erzählen.
Da war im Jahr 2007 zum Beispiel eine Achtzehnjährige, mit der wir montags beim Mittagstisch saßen und uns über das vergangene Wochenende austauschten. Gefragt, was sie abends so gemacht habe: „Ich war mit meiner Freundin in der Zahnarztpraxis von ihrem Papa. Und da haben wir total viel gelacht und einen Schwangerschaftstest gemacht.“ So etwas wirft Fragen auf. Die allerdings unbeantwortet blieben.
Zu eben dieser Zeit gaben wir ausnahmsweise zeitgleich einer zweiten Praktikantin eine Chance. Sie fiel eigentlich kaum auf. Weil sie entweder nichts sagte (gar nichts), oder gleich ganz zuhause blieb (krank, keinen Bock, Termine, Mutter helfen). Um dieses Problems Herr zu werden, haben wir sie zusammen mit der Schwangerschaftsaspirantin an einen Rechner gesetzt, um eine wenig zum Thema Typografie zu recherchieren. Um drei Stunden später festzustellen, dass beide gemeinsam paralysiert dem Bildschirmschoner bei der Arbeit zusahen. Seither empfehlen wir Bildschirmschoner zur Therapie bei Prokrastinations-Defizit.
Ein besonderer Praktikant kam 2005 aus Sendenhorst. Er litt sicherlich an mangelndem Selbstvertrauen, als er sich hinter unseren Auszubildenden stellte, der sichtlich unter Zeitdruck stand. Nach rund zwei Minuten fragte der junge Sendenhorst unseren Flo: „Ähm, sach mal, findste das schön?“ (irritiertes Schweigen) „Wie meinst’n das?“ „Na, ob Du das da gut findest, oder ob Du das noch anders machst.“ So macht man sich keine Freunde.
Und dann war da 2012 noch unsere liebe Praktikantin aus Taiwan, die bei uns ihr Vorpraktikum machte. Um einige Semester später ihr Studium mit Bravour abzuschließen. Ich sah mit ihr die große Chance gekommen, eine kleine handschriftliche Notiz in Chinesisch auf der Rückseite eines prächtigen alten Porträts zu entziffern. Meine Frau hatte es mir zu Beginn meiner Selbstständigkeit geschenkt. Es zeigt eine Dame von hohem Rang, die im 19. Jahrhundert am Hof des chinesischen Kaisers zugegen war. „Ich glaube, Du wirst gleich ein wenig traurig sein, Robert.“ „Wieso, was steht denn da?“ „Nun, da steht eigentlich nur ALTE FRAU.“
Manchmal geben auch Praktikant(inn)en einfache Antworten, die große Phantasiegebäude zusammenstürzen lassen.